von Dr. Alexander Bode
Standardisierbare Tätigkeiten werden künftig durch Algorithmen und Roboter ersetzt, zahlreiche Berufsbilder werden sich vollständig wandeln. Andererseits können Mitarbeiter ihr kreatives Potential in ihrem Job vollständig ausnutzen. Es ergeben sich völlig neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Menschen und Computern – ein hybrides System, in dem Mensch und Maschine kooperieren.
Diese positive Vision erscheint eigentlich recht plausibel und hat nichts von dem furchteinflößenden Szenario zur Entwicklung verschiedener Berufsbilder diverser Studien und Meldungen. Doch häufig stehen dieser positiven Vision vor allem aufschreckende Meldungen wie in der aktuellen OECD-Studie zum möglichen Arbeitsplatzverlust gegenüber. Für viele Menschen ist es schwer vorstellbar, dass sie sich von ihrem erlernten Job-Profil verabschieden und künftig kreativer, mit mehr Eigenverantwortung und in Kooperation mit einem Computer zusammenarbeiten sollen. Gleichzeitig schüren solche Meldungen eher die Angst vor Verlust, als dass sie an anderer Stelle die vielen neuen Möglichkeiten aufzeigen, die sich durch die Digitalisierung der Arbeit ergeben können.
Für mich stellt sich beim Studium der vorgelegten Zahlen der OECD, die mit einer Bedrohung von 18,4% der Arbeitsplätzen rechnet, aber eher die Frage, was mit den übrigen 81,6 % passiert? Können sich diese Personen entspannt zurücklehnen? Wohl eher nicht, Digitalisierung betrifft schließlich jedes Unternehmen und damit auch
jeden Job – irgendwie.
Das neue Verständnis fängt oben an
„Arbeit 4.0“ und „New Work“, das sind die Schlagworte hinter denen sich die tiefgreifendsten Veränderungen unserer beruflichen Welt verbergen. Die Änderungen sind maßgeblich davon getrieben, dass neue Technologien einen weitergehenden Einsatz von Maschinen ermöglicht, gleichzeitig mit der Digitalisierung aber auch unser Kommunikationsverhalten völlig neu gestaltet wird. Natürlich gab es auch in der Vergangenheit immer wieder Jobs, die aufgrund neuer Technologien weggefallen sind, denken Sie zum Beispiel mal an die Damen der Telefonvermittlung, die zur Verbindung entsprechende Leitungen zusammenstecken mussten. Dass aber so ziemlich jeder Job von der Digitalisierung unmittelbar betroffen ist, stellt uns vor ganz andere Herausforderungen.
Es reicht nicht aus, einzelne Jobbeschreibungen den neuen technologischen Möglichkeiten anzupassen, sondern bedarf ganz neuer Organisationsstrukturen in den Unternehmen. Die neue Form der Zusammenarbeit zwischen Menschen und Maschinen bedeutet, dass die Menschen andere Verantwortung im Unternehmen übernehmen (müssen). Gleichzeitig werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Unternehmen nur dann die Veränderung mittragen, wenn der Vorgesetzte sich als Vorreiter des Wandels zeigt und selbst bereit ist, Dinge künftig anders zu machen.
Behutsamkeit mit Fokus auf die positiven Seiten
Der Wandel zu neuen Systemen kann naturgemäß nicht über Nacht „stattfinden“, sondern er muss von allen Beteiligten aktiv gestaltet werden. Dazu zählt, dass sich die Kommunikation nicht auf die Gefahren und die Betroffenen nicht auf die Abwehrkämpfe fokussieren. Jede Veränderung bringt irgendwelche negativen Begleiterscheinungen, aber eben auch viel Gutes, wenn es in einem positiven Sinne gestaltet wird.
Dieses Denken einer positiven Grundhaltung gegenüber der Veränderung ist meines Erachtens ein Schlüsselelement für eine erfolgreiche Transformation. Das bedeutet vor allem für Führungskräfte, viel in die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu investieren. Viele aus Führungssicht einfachen Dinge – wie zum Beispiel das Übertragen von Verantwortung und Entscheidungskompetenz – ist für die Betroffenen nicht so einfach zu vollziehen, sind sie aus Jahrzehnten der Arbeit in klaren Hierarchien etwas völlig anderes gewöhnt.
Schritt-für-Schritt und dabei Einbeziehen der Mitarbeiter sind daher essentiell, schließlich fallen längst nicht alle Tätigkeiten durch Automatisierung umgehend weg. Es ist also ein Prozess, der langfristig gedacht werden muss und nicht auf kurzfristige Effizienzgewinne abhebt.
Ist der Computer der neue Kollege 4.0?
Bleibt die spannende Frage offen, wie sich die hybriden Arbeitssysteme der Zukunft gestalten. Die größte Errungenschaft der Menschheit ist die Form der Zusammenarbeit und der Kooperation, basierend auf enger Kommunikation, Hierarchien etc. Schon in den Urzeiten gelang es so, dem körperlich völlig unterlegenen Zweibeinern, einen großen Löwen zu jagen oder einen Elefanten zu erlegen. Folgen wir der Logik des Historikers Yuval Noah Harari war es später vor allem der „Klatsch und Tratsch“, der die sozialen Strukturen der Menschen verfestigt und damit den Menschen irgendwann zur überlegenen Rasse auf der Erde hat werden lassen.
Können Sie sich also vorstellen, eines Tages mit einem Roboter aus Ihrer Abteilung tratschend in der Kaffeeküche zu stehen? Wohl eher nicht. Die gute Nachricht daran, es wird auch in ferner Zukunft immer Menschen aus Fleisch und Blut geben, die nicht zuletzt zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts im Unternehmen wichtig sind. Umso wichtiger ist aber auch, dass das Verhältnis der Maschinen in der Zusammenarbeit klar definiert wird.
Die Philosophieprofessorin Lisa Herzog bringt es in einer aktuellen Veröffentlichung auf den Punkt, in dem sie nur zwei Optionen herausarbeitet, entweder der Plan der Maschine wird verfolgt, ohne menschliche Ideen zu berücksichtigen, oder der Mensch gibt den Plan vor. Es bliebe aber in jeglicher Konstellation ein Über-/Unterordnungsverhältnis – ein echtes (kollegiales) Miteinander wird nicht möglich sein.
Damit kann der Computer nicht der Kollege auf Augenhöhe sein, aber eine nützliche Unterstützung, egal in welcher Form, als ausführendes Gerät oder manchmal vielleicht auch, um eine Entscheidung abzunehmen, mit der man sich schwertut. Auf die kollegiale Expertise im Sinne des zwischenmenschlichen Austauschs wird aber – trotz aller Digitalisierung – keinesfalls verzichtet werden können.
Womit fangen Sie morgen an?
Fassen wir also zusammen, die Veränderung der Arbeitswelt wird nach meiner Annahme so ziemlich jeden Job betreffen, dies aber nicht im Sinne, dass diese Jobs einfach „wegfallen“, sondern sie werden sich verändern. Diese Veränderung sollte für den Mitarbeiter ein positives Erlebnis sein. Der Mitarbeiter muss erfahren, dass er durch die Digitalisierung im Beruf eine Erleichterung erfährt, wodurch ihm neue Perspektiven eröffnet werden und es ihm möglich ist, sein volles kreatives Potenzial auszuschöpfen. Für diesen Prozess bedarf es Anpassungen in der Organisationsstruktur. Für Sie als Unternehmer bedeutet dies, dass sie frühzeitig Ihre Mitarbeiter einbinden sollten, nicht nur bei der Arbeitsplatzgestaltung, sondern vor allem bei der Entwicklung ganz neuer Jobprofile:
Laden Sie Ihre Mitarbeiter ein, ihr Bild von der Arbeit der Zukunft zu skizzieren, regen Sie einen kollegialen Austausch an und nehmen Sie die Fantasien Ihrer Mitarbeiter an dieser Stelle ernst.
Überlegen Sie gemeinsam, wie die räumlichen Gegebenheiten angepasst werden sollten, um ein zukunftsweisendes Arbeitsumfeld zu schaffen.
Lernen Sie Verantwortung auf die Mitarbeiter zu übertragen und gleichzeitig die Mitarbeiter zunehmend in Verantwortung zu nehmen. Dies basiert unter anderem auf neuen Kooperationstechniken.
Seien Sie, als Führungskraft, selbst ein Vorbild. Sprechen Sie nicht nur von Digitalisierung, sondern leben Sie diese auch vor.
Das wichtigste aber ist, innerhalb des Unternehmens POSITIV die Veränderungen zu kommunizieren! Schauen Sie nicht auf den Arbeitsplatz der ggf. wegfällt, sondern auf die Erleichterung, die sich durch die Digitalisierung ergibt. Schenken Sie Ihren Mitarbeitern Zeit, in dem sie Effizienzgewinne aus der Produktivitätssteigerung nicht nur für das Unternehmen verbuchen, sondern ihren Mitarbeitern mehr Zeit geben, für ihre wesentlichen Entscheidungsaufgaben.
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